Rot mit weißen Punkten

Nein, keine Sorge, es handelt sich hierbei nicht um eine Geschlechtskrankheit, die Sie sich beim exzessiven Gebrauch von Liebespflanzen zuziehen können. Gemeint ist tatsächlich der Fliegenpilz, Amanita muscaria, heimisch in unseren Wäldern und in Symbiose lebend mit Birke, Kiefer und Pinie.

Nun, werden Sie denken, der Fliegenpilz ist doch giftig. Das ist er durchaus und trotzdem war er eine der bedeutendsten Liebespflanzen unserer Vorfahren. Korrekterweise muss ich ergänzen, dass Pilze weder Tier noch Pflanze sind, sondern in der biologischen Klassifikation ein eigenes Reich bilden, also eher ein eindrücklicher Liebespilz. Um diesen auffälligen und schönen Pilz ranken sich viele Mythen, Sagen und Märchen, z.B. im Zusammenhang mit dem berühmten Soma. Er ist ein wichtiges Glückssymbol, auch noch in unserer Zeit. Besonders um Weihnachten und Silvester begegnet er uns in Dekorationen, Postkarten usw. Darüber hinaus ist er eines der ältesten kultischen Rausch- und Zaubermittel der indoeuropäischen Völker. Sein schamanischer Gebrauch lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen und sogar heilend wurde er eingesetzt. Gleichwohl ist die Verwendung als Aphrodisiakum in zahlreichen Ländern nachzuweisen. Dabei ist neben seiner vielbeschriebenen Wirkung sicherlich seine phallische Gestalt von Bedeutung.

Im Fliegenpilz wurde u.a. Muscarin und Muscimol gefunden, wobei Muscarin ein Rauschgift ist und ebenso im Haschisch vorkommt. Der Pilz wirkt anregend, halluzinogen, besonders mit Einfluss auf den Gesichts-, Tast- und Hörsinn sowie Visionen und Trance auslösend. Ein rein aphrodisischer Wirkstoff konnte bisher nicht isoliert werden. Von einer Intensivierung des erotischen Erlebens wird aber oft berichtet. Zusätzlich beobachteten Ethnologen, dass die Benutzer inneres Glück und seelische Zufriedenheit empfanden. Für unsere Vorfahren vereinte er Rausch und Erotik in sich und öffnete die Pforten zu den Gefilden der Götter. Etliche Indizien deuten daraufhin, der er als Schamanenpilz der heidnischen Germanen ein Attribut Wotans war. Wotan wiederum war der germanische Gott der Ekstase. Der Fliegenpilz erhöht die Bewusstheit von den Muskeln, gibt Kraft und eignet sich als Liebesmittel in Kombination mit anderen Aphrodisiaka. Eine beliebte Mischung bestand neben Fliegenpilz aus Hanfblüten und Stechapfelblättern.

Fliegenpilz 2Interessanterweise wird die berauschende Eigenschaft so stark bewahrt, dass selbst nach der Körperpassage, die Wirkung existent bleibt und im Urin der Fliegenpilzgenießer vorhanden ist. Deshalb trinken vor allem sibirische Völker, wie die Kirgisen oder Tschuktschen, solchen Urin und versetzen damit zuweilen ganze Dorfgemeinschaften in einen Fliegenpilz-Rauschzustand. Muscarin wirkt noch nach 3 bis 4 Menschenpassagen in gleicher Weise. Sogar Rentiere sind verrückt nach diesem Urin und erkämpfen sich die besten Plätze, um den „Goldenen Regen“ zu ergattern.

Meist wurden die getrockneten Hüte verspeist oder geraucht und geräuchert. Manchmal wurden sie in alkoholische Getränke, wie Wodka, eingelegt. Nach dem Sammeln und Auslesen unbefallener Pilze werden sie getrocknet. Das erhöht nachgewiesenermaßen den Gehalt an psychoaktiven Wirkstoffen. Als Liebesmittel empfiehlt sich die Kombination mit aphrodisischen Pflanzen, wie Damiana, Zimt, Vanille oder Mohn, Muskatellersalbei, Hanf und Wermut.

Vergiftungserscheinungen treten etwa eine halbe Stunde nach Genuss des Pilzes auf, manchmal auch viel später, und werden wie folgt beschrieben: Rauschzustände, Erregung, Tobsuchtsanfälle, Übelkeit, aber nicht immer, nach Überreizung des Gehirns totale Erschöpfung mit tiefem Schlaf. Nachweislich gibt es für eine Vergiftung, die mit dem Tode endete, keinen einzigen belegbaren Beweis. Nichtsdestoweniger ist er nicht harmlos. Deshalb ist im Umgang mit diesem Liebespilz Vorsicht und Respekt oberstes Gebot. Wer Angst vor diesem starken Aphrodisiakum hat, sollte lieber die Finger davon lassen. Zudem besteht Verwechslungsgefahr mit anderen hochgiftigen Amanita-Arten.

Viel Freude beim respektvollen Genuss wünscht Ihre Kristin Peters

Beim nächsten Mal: Liebeszauber vom Schwarzen Kontinent