Vulva 3.0 zwischen Tabu und Tuning

Ein bisschen amerikanisch, aber sehr hübsch, kommentiert die Ärztin das Ergebnis ihrer Arbeit. Soeben hat sie die Venuslippen des Erotikmodells Bella Joy aufgespritzt. Da wo noch vorher eine ganz individuelle Form zu sehen war, sieht man jetzt nur noch Schamlippen in „Standardbrötchen-Form“. Mit dieser Szene beginnt der Dokumentarfilm Vulva 3.0, der gerade in den letzten Tagen auf der Berlinale vorgestellt wurde.

Den beiden Regisseurinnen Claudia Richarz und Ulrike Zimmermann ist ein wahres Kunststück mit diesem Film gelungen. Sie zeigen in diesem Film Menschen, die in dem Bereich Vulva-Optimierung arbeiten, ohne den Respekt vor ihnen zu verlieren oder sie zu verunglimpfen. Da gibt es die Ärztin aus der oben erwähnten Szene, einen Fotografen, der die Bilder von „unästhetischen“ Schamlippen dem vermeintlichen Standardgeschmack anpasst und die Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive Intimchirurgie, die auf einem Kongress live eine Intim-Operation über Kamera vorführt. Sie alle verdienen ihr Geld damit, Natur an den gesellschaftlichen Geschmack anzupassen.

Zum Glück kommen aber auch die Frauen und Männer zu Wort, die sich dafür stark machen, dass Frauen stolz auf ihr Geschlecht sein können, die gegen Genitalverstümmelung kämpfen, die mit bebilderten Büchern zeigen, wie unterschiedlich und damit ganz normal jede Frau in ihrem zweiten Gesicht gebaut ist. Die Lehrerin, die ein Plastikmodell produzieren lässt, an dem die Lustorgane zu sehen sind, nicht nur die Fortpflanzungsorgane. Oder die Autorin, die ein Buch über die Vulva geschrieben hat und von dem Brauch berichtet, wie ungarische Frauen durch das Zeigen ihrer Möse Bären verjagen und Sturmfluten beruhigen. Oder die Medizinhistorikerin, die davon berichtet, wie die Klitoris im Laufe der Jahrhunderte aus den Büchern verschwand.

Zwischendurch werden Fotos von echten/natürlichen Vaginas gezeigt, was bei einer ca. 10 Meter hohen Leinwand, vor der ich auf der Berlinale saß, einen ganz besonderen Reiz ausmachte.

Der Film ist geprägt von einer ruhigen Sachlichkeit, die gerade dadurch die Ungeheuerlichkeit des Herumschnippelns am weiblichen Körper betont.

Vulva 3.0 wird bald in den Kinos laufen, wir werden ihn dann auch im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe Erotischer Salon zeigen. Der Film ist jetzt auch auf DVD erhältlich bei www.youfeel.tv.
Hier könnt ihr euch den Trailer anschauen: