Teledildonics, Virtual Reality und Sexroboter – Wie Technik den Sex verändern wird

Wo liegt sie, die Zukunft des Sex? Wird er in zwanzig oder fünfzig Jahren immer noch genau so ablaufen wie heute oder verkehren wir dann nur noch virtuell miteinander und haben Sex mit Robotern. Der bekannte Zukunftsforscher Ian Pearson zeichnet ein Bild, welches geprägt ist von vollkommenem virtuellen Sex und Robotern, die den Menschen ersetzen könnten.

Es ist wahrscheinlich die erste virtuelle Liebe mit einer Maschine – In E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ von 1816 verliebt sich der junge Studiosus Nathanael in Olimpia – die Tochter seines Professors und Naturforschers Spalanzani. Nur, dass Olimpia kein Mensch ist, sondern ein Automat – ein Roboter. Und er sich nicht einfach so in sie verliebt, sondern erst, nachdem ihm der mystische Handelsreisende Coppola, welcher bereits Olympia mit lebensechten Augen versorgt hat, ein besonderes Perspektiv verkauft. Eine Brille, die ihn die Welt schöner erscheinen lässt. Nathanael setzt die Brille auf und kann Olimpia nicht mehr als das erkennen, was sie ist, sondern sieht in ihr einen echten Menschen aus Fleisch und Blut und verliebt sich unsterblich in sie.

Aus heutige Sicht hat die Geschichte Hoffmanns fast schon etwas von einer Prophezeiung. Mithilfe einer Brille taucht ein junger Mensch in eine virtuelle Realität ein und verliebt sich in eine Maschine. Vor 200 Jahren sicher eine wilde Fantasterei, heute schon die Realität – 2016 sind die ersten Virtual Reality Brillen auf den Massenmarkt gedrängt. Das Thema der virtuellen Liebe ist aktuell wie nie. Gerade erst erschien dazu der Essay von Ian Pearson über die Zukunft des Sex und auch eine Tagung widmetet sich kürzlich allein dem Thema des „Robotersex“.

Der Vergleich zu Hoffmanns „Sandmann“ hat sich mir erst kürzlich bei dem Besuch der Oper „Hoffmanns Erzählungen“ aufgedrängt. Was sonst immer das das Erste ist, das mir ins Gedächtnis springt, wenn ich von virtuellem Sex höre, ist der Film „Demolition Man“ mit Sandra Bullock und Sylvester Stallone. Stallon, ein knallharter Polizist wacht in einer fernen Zukunft aus einem kryogenische Schlaf auf und geht auf Gangsterjagd. Dabei kommt er sich mit der von Sandra Bullock gespielten Polizistin näher. Es funkt, erotische Spannung wabert durch den Raum. Doch an dem Punkt, an dem sie eigentlich übereinander herfallen müssten, um sich die Kleider von Leib zu reißen, zückt Sandra Bullock eiskalt ein Headset, setzt es auf und lehnt sich zurück. „Sich gegenseitig anfassen? Ne, dass ist doch dreckig und unhygienisch – wir haben jetzt virtuellen Sex.“ Ihr könnt euch das Entsetzen von Stallone vorstellen.

Mit Teledildonics das Sexting revolutionieren

Noch ist virtueller Sex in diesem Ausmaß und dieser Intensivität Zukunftsmusik. Doch, wenn es nach dem Zukunftsforscher Ian Pearson geht, wird das nicht mehr lange so bleiben. In seinem Future Sex Report „The Future of Sex: The Rise of the Robosexuals“ schreibt er, dass 2030 die meisten Menschen virtuellen Sex haben werden, auch wenn manche Menschen VR noch ohne ein dazugehöriges Sexspielzeug benutzen werden. Spätestens 2035 sind seiner Meinung nach die Geräte dann so weit ausgereift, dass alle zu Hause eine Kollektion von Sexspielzeug haben werden, welche mit der virtuellen Realität agieren können.

Schon heute gibt es die ersten Ansätze, VR mit immer mehr Technik in das Liebesleben zu integrieren. Die einfachsten Varianten sind dabei wohl Spielzeuge, welche sich fernsteuern lassen. Entweder mit einer Fernbedienung oder auch über eine App auf dem Smartphone kann das Sexspielzeug des Partners oder der Partnerin aus dem Nachbarzimmer heraus oder gleich von einem anderen Kontinent gesteuert werden. Um das Erlebnis noch zu intensivieren ist häufig auch eine Live-Cam Funktion mit in die App integriert.

Hinzu kommen sogenannte Teledildonics, welche die Verknüpfung von unserem Sexleben mit Virtueller Realität immer weiter vorantreiben. Ganz vorn mit dabei ist Kiiroo, welche den Masturbator Onyx für den Mann und den Vibrator Pearl für die Frau anbieten. Im Onyx sind kleine Motoren verbaut und im Pearl Sensoren unter der Oberfläche integriert. Werden auf dem Pearl nun Bewegungen ausgeführt z.B. wie bei einem Handjob, werden diese auf den Onyx übertragen und dort simuliert. War die ursprüngliche Idee der Technik, Paare über weite Entfernung miteinander zu verbinden und intensivere und intimere Sextingerlebnisse zu ermöglichen, hat Kiiroo inzwischen Kooperationen mit Cam-Seiten und Produzenten von VirtualRealityPorn geschlossen. Das bedeutet für den Mann, er setzt sich eine VR-Brille auf, wirft den VR-Porno an, nimmt den Onyx zur Hand und kann dadurch den Porno direkt miterleben. Ähnliche Ansätze gibt es auch für Frauen. Bei den Cam-Seiten haben die Cam-Models einen Pearl-Vibrator, der sich mit dem Onyx des Zuschauers verbindet und das Model ihn so live verwöhnen kann. Zu kaufen gibt es die zum Beispiel hier bei Amorelie.

Die Teledildonics Onyx und Pearl samt App von Kiiro
Die Teledildonics Onyx und Pearl samt App von Kiiroo

Sex und Liebe mit Robotern? Spätestens in 30 Jahren normal

Klingt ziemlich abgefahren, oder? Aber das ist noch nicht alles. Im Dezember 2016 fand der zweite Kongress zu „Love and Sex with Robots“ in London am Goldsmith College statt. Dort wurden nicht nur neue Gadgets wie der Kissenger vorgestellt, nein, es wurde zum einen darüber diskutiert, wie die Zukunft der Roboterliebe aussehen wird, zum anderen aber vor allem auch über die ethischen und gesellschaftlichen Fragen, die sich aus dieser Entwicklung heraus ergeben.

Auch David Levy, der nicht nur Schachmeister, sonder auch KI-Experte und mit seinem Buch „Love and Sex With Robot: The Evolution of Human-Robot Relationship“ Vorreiter auf dem Gebiet der Sexroboter ist, trat als Redner auf dem Kongress auf. Er ist der Meinung, dass spätestens 2050 die Ehe zwischen Roboter und Mensch etwas legales und normales ist, wahrscheinlich sogar noch früher. Er stellt sich vor, die Roboter könnten außerdem zum Beispiel bei älteren Menschen in Heimen zum Einsatz kommen. Diese sind oft einsam und könnten durch die nicht-menschlichen Partner wieder die Möglichkeit bekommen Nähe und Intimität zu spüren. Auch könnten Roboter Auswirkungen auf das SexarbeiterInnengewerbe haben, beim Sexualunterricht anschaulich Modell stehen oder auch Therapien ermöglichen.

Noch sind wir einige Schritte von intelligenten Sex-Robotern entfernt. Doch die fortschreitende Technisierung unseres Liebeslebens wird nicht stehen bleiben. Schließlich hat dieser Bereich laut der Informatikerin Kate Devlin bereits jetzt einen Jahresumsatz von 30 Milliarden. Von der Firma TrueCompanion wird sogar schon eine Art Sexroboter names Roxxxy angeboten, welcher in der Goldversion eine ganze Menge an Fähigkeiten hat: „listen, talk, carry on a conversation and feel your touch as well as move her private areas inside when she is being “utilized”, for an unforgettable erotic experience.“

Neben der technische Seite wirft die Vision des mechanischen Liebespartners einige ethische Fragen auf. Der deutsche Informatiker Oliver Bendel widmet sich in seiner Rede diesen Fragen. Soll so ein Roboter auch aktiv werden und nicht nur passiv auf Wünsche reagieren? Darf ein Roboter auch mal nein sagen? Kann ein Roboter im Fall einer Ehe auch die Scheidung fordern? Wieviel Freiheit kann einem Roboter zugesprochen werden? Wenn dem Roboter so viel menschliches zugesprochen wird, dass er eine Ehe eingehen kann, ist er dann immer noch nur eine Maschine?

Eine weitere Gefahr vor der Bendel warnt, ist die Möglichkeit, dass die Maschine den Mensch überfodern und somit die Möglichkeit von zwischenmenschlichem Sex reduzieren könnte. Was wiederum der Reproduktion schadet.

Ein anderes Anwendungsgebiet, welches Levy bereits in seinem Buch anspricht, ist die Nutzung von Sexrobotern für Menschen, welche sexuelle Neigungen haben, bei der andere Menschen zu Schaden kommen – zum Beispiele Pädophile. Diese könnten dann ihre Neigungen an Robotern ausleben und wären dadurch ausgeglichner. Dem widerspricht jedoch vehement die britische Professorin und Gegnerin von Sexrobotern, Kathleen Richardson – sie ist der Meinung, dass Menschen, die keine menschlichen Beziehungen aufbauen können, einen Therapeuten und keine Sexpuppe brauchen.

Ich denke eine Kombination aus Therapie bei gleichzeitigem Einsatz von Sex-Robotern könnte wirklich eine Lösung sein.

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Sex im virtuellen Raum – nich nur sehen, sondern auch spüren

Doch nicht nur Roboter werden (weiter)entwickelt. Wenn es nach Pearson geht, werden auch wir Menschen uns immer weiter technisch aufrüsten. Durch verschiedene Sensoren, die auf oder unter der Haut angebracht werden, werden wir im virtuellen Raum nicht nur sehen, sondern auch fühlen können. Virtuelle Sexabenteuer erscheinen so immer realer. Oder der reale Sex wird durch VR-Brillen in Form von Kontaktlinsen mit einer virtuellen Ebene überlagert, sodass wir und unsere PartnerInnen jede erdenkliche Gestalt annehmen können. Das hebt auch Rollenspiele auf ein ganz neues Level. Oder wir können damit einfach mal in den Körper des anderen Geschlechts schlüpfen. Die Möglichkeiten sind endlos.

Das folgende Video gibt eine ungefähre Vorstellung davon, wie ein Virtual-Reality-Porno aussieht.

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Gefahren des smarten Sex

Doch wie alle technischen Entwicklungen bietet auch der smarte Sex, sei es in Form von Robotern oder VR-Technik, Gefahren für die Nutzer und Nutzerinnen. Dabei muss es nicht gleich eine dystopische Zukunftsvisione à la Terminator sein, bei der sich die Maschine über den Menschen erhebt, und sie vernichtet. Nein, es ist viel „banaler“ und ein Problem was mit der Entwicklung des „Internets der Dinge“ immer häufiger auftritt: Die Sicherheit der Daten.

Erst kürzlich sorgte der Fall des smarten Paartoys We-Vibe für Furore. Zunächst gelang es Hackern das Gerät zu hacken und die Kontrolle darüber an sich zu reißen. Doch ist der Gedanke schon unangenehm genug, dass irgendjemand Fremdes Zugriff auf ein Gerät haben könnte, das gerade an den intimsten Stellen verwendet wird, deckten die Hacker gleichzeitig noch etwas anderes auf. Das Spielzeug sammelte Unmengen an intimsten Daten – angefangen bei der Temperatur, die aller einer Minute gemessen wird, bis hin zu den verschiedenen Vibrationsmustern. Und alles wird natürlich auf die Server des Unternehmens übertragen, das den We-Vibe herstellt, ohne dem Nutzer das so vorher zu erklären natürlich. Prompt kam auch die erste Klage einer amerikanischen Nutzerin. Der daraus resultierende Rechtsstreit ist zwar mittlerweile beigelegt, ein bitterer Nachgeschmack bleibt trotzdem. Google, Facebook und Co. wissen zwar sowieso schon alles über uns, aber wollen wir sie wirklich auch noch unter unsere Bettdecke lassen?

Und auch gegenüber der Verwendung von Sexrobotern im Bereich der Therapie erheben sich kritische Stimmen, die auf mögliche Gefahren verweisen. Zum Beispiel die moralische Frage, ob man Pädophilen Kinderroboter zur Verfügung stellen sollte. Oder was passiert, wenn die Grenzen und Unterschiede zwischen Mensch und Roboter verwischen? Wenn Gewaltfantasien an Robotern ausgelebt werden, sich dadurch aber nur der Drang steigert, diese an realen Menschen auszuüben?
Moralische und ethische Fragen, mit denen sich Forscher und Entwickler schon jetzt intensiv auseinandersetzen.

Verändert die Technik unser Sex- und Liebesleben?

Was bedeuten die Entwicklungen für unser Sexleben? Ist die Technik dabei, unsere zwischenmenschlichen Erotischen Beziehungen zu ersetzen oder ist sie eher eine kreative Erweiterung unseres Liebesspiels, die vor allem räumlich getrennten Paaren Möglichkeiten weit über das einfache Sexting hinaus bietet?

Die VR-Brille von Playstation mir Pornhub Brand – Bildquelle: Pornhub
Die VR-Brille von Playstation mir Pornhub Brand – Bildquelle: Pornhub

Noch ist die Technik nicht so weit, dass Roboter den menschlichen Partner oder die menschliche Partnerin ersetzen können. Auch halte ich es für fraglich, ob das jemals geschehen kann. VR und Roboter werden vielleicht in der Lage sein, die körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen, aber werden sie auch die Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Interaktion ausfüllen? Berührungen von Haut zu Haut, von warmen Körper auf warmen Körper ersetzen? Setzen Berührungen durch einen, wenn auch sehr menschlichen Roboter, die gleichen (Glücks)Hormone frei, wie eine menschliche? Kann Mensch durch einen Roboter genauso viel Anerkennung und Bestätigung erhalten wie durch einen anderen Menschen?

Ich persönlich halte es für unwahrscheinlich, dass eine menschliche Berührung und die damit einhergehenden Emotionen und zwischenmenschlichen Prozesse, die dabei ablaufen, durch die eine Maschine ersetzt werden können. Genausowenig, wie Vibratoren, Dildos und Masturbatoren das „richtige Ding“ ersetzen können, auch wenn sie eine nette Abwechslung und Ergänzung sind. Unter dieser Prämisse kann man der Entwicklung entspannt zusehen und die neue Technik nicht gleich verteufeln. Betrachten wir vor allem auch die Gebiete, auf welchen die Roboter und VR wirklich Erleichterung und Positives bringen können. Zu entspannt sollten wir aber auch nicht sein und bei all der Technikgläubigkeit die ethischen Fragen auf keinen Fall vernachlässigen.

Mit Humans und Westworld haben wir aktuell zwei erfolgreiche SciFi-Serien, die sich intensiv mit der Roboterthematik und der Problematik von Mensch-Maschinen-Beziehungen beschäftigen. Wenn es nach Levy und Pearson geht, dann wird aus dieser Fiction innerhalb den nächsten 30 Jahren Wirklichkeit.

Wir dürfen gespannt sein, was die Zukunft bringt.

Hier gehts zum kompletten „Future of Sex“-Report von Dr. Ian Pearson. Die Vorträge des „Love and Sex with Robots“ Kongress werden als Open-Access-Dokument veröffentlicht werden. Mehr Infos dazu hier: https://loveandsexwithrobots.org/