Gute Erotik – schlechte Erotik?

Ist eine tantrische Behandlung gleich zusetzen mit der Arbeit von Prostituierten? Um diese Frage geht es bei einem Gerichtsfall in Stuttgart. So möchte die Stadt das Tantra-Studio ebenso besteuern wie sexuelle Dienstleistungen in einem Bordell. Die Betreiberin von Dakini Stuttgart möchte das verständlicherweise abweisen und argumentiert damit, dass bei tantrischen Behandlungen ein Orgasmus nicht das Ziel der Massage ist, so wie es beim Besuch einer Prostituierten der Fall ist. Doch bei näherem Hinschauen finde ich, ist diese Argumentation nicht halten. Sehr wohl gehen viele Männer (und Frauen) auch gezielt zur tantrischen Massage, weil sie eben doch gerne einen Orgasmus hätten, sonst würden sie ja auch zu einer klassischen Massage gehen können. Und auch im Bordell gibt es immer wieder Männer, die einfach nur reden wollen, bei denen der Sex nicht im Vordergrund steht. Insofern ist diese Argumentation hinfällig, auch wenn ich natürlich die Motivation der Betreiberin absolut verstehen kann.

Das Problem liegt jedoch viel tiefer. Letztendlich geht es um die Bewertung von guter und schlechter Erotik, von stilvoller und schmuddeliger Sexualität. Dadurch dass man sich von etwas distanzieren oder abgrenzen will, bewertet man mehr oder weniger direkt genau das, wovon man sich abgrenzt. Auch ich habe anfangs dieses Problem gehabt. Wie kann ich Menschen, die mich und meine Angebote nicht kennen, vermitteln, dass ich nichts mit der „schmuddeligen“ Erotik zu tun habe? Denn das Wort „Erotik“ war leider mittlerweile auch zu einem Synonym für Pornos oder das Rotlichtmilieu geworden. In vielen Köpfen der Menschen ist Erotik, ist Sexualität eben noch schlecht, verdorben, schmuddelig, ein Thema, an das man besser niemals rangehen sollte, geschweige denn irgendwie in der Öffentlichkeit an- oder besprechen sollte.

So war es meinem Gefühl nach wichtig, immer darauf hinzuweisen, dass ich nichts mit „denen“ zu tun hatte, sondern dass es bei mir um „saubere“ Erotik geht. Irgendwann merkte ich jedoch, dass ich das gar nicht mehr nötig hatte, wer auf meine Webseiten ging, sah sofort, dass es bei mir eher um Gespräche, eine gewisse Form der Aufklärung und Reflektion ging, aber nicht darum, Sexpartner/innen kennenzulernen oder sich auf unseren Events körperlich näher zu kommen.

Seitdem stehe ich einfach mit meinem Namen ein für das, was ich tue und hoffe, dass die Menschen von alleine sehen, was ich meine, wenn ich von meinen Angeboten spreche. Und zum Glück funktioniert das meist sehr gut!

Doch zurück zum obigen Thema.

Solange wir alle, die im Bereich Erotik oder Sexualität arbeiten, diese Trennung und damit auch die Wertung weiter betreiben, solange wird sich in der Gesellschaft nichts daran ändern. Andererseits ist diese Abgrenzung eben auch noch manchmal notwendig, weil die Gesellschaft alles, was mit Erotik zu tun hat, in eine große dunkle Schublade in die hinterste Ecke schiebt. Da wir auch ein Teil dieser Gesellschaft sind, ist diese Abwertung auch in vielen Sexworker/innen drin (ich nehme mich da nicht aus!)

Was ist also die Lösung? Kann es überhaupt eine geben oder gibt es aus diesem Wechselspiel kein Entkommen? Auf jeden Fall ist es keine einfache oder schnelle Lösung. Wie eigentlich immer bei gesellschaftlichen Missständen muss die Veränderung auf mehreren Ebenen geschehen. Es ist wichtig, dass z.B. die Prostituierten sich für eine größere Anerkennung ihrer Arbeit engagieren. Und es wird immer unterschiedliche Vorstellungen davon geben, worin diese Anerkennung besteht. Bei den Homosexuellen gibt es Menschen, die auch eine Ehe eingehen möchten, und nicht nur eine eingetragene Lebenspartnerschaft, aber auch solche, die das nicht nachvollziehen können, weil sie im Streben nach der Ehe eine Anpassung an heteronormative Strukturen sehen (was meistens auch wieder eine Bewertung darstellt). Und andererseits muss jeder Mensch ganz individuell bei sich schauen, wo er/sie/wie auch immer im eigenen Kopf Bewertungen hat, wo besser gegen schlechter abgewogen wird. Es geht um die Bewusstseinsarbeit, dass etwas, was nicht meines ist, was ich vielleicht auch nicht mag oder gar als wenig sinnvoll erachte, genauso zu respektieren wie das, was mir und meinen Vorstellungen entspricht. Das ist keine leichte Arbeit, aber unbedingt notwendig.