Buchtipp – „Beziehungsstatus: kompliziert“ von Nina Deißler

Warum wir mehr mit anderen flirten sollten, wenn wir in einer Beziehung sind. Weshalb wir eigentlich keinen Einfluss darauf haben, wen wir lieben. Und wieso Frauen und Männer immer noch  viel zu oft aneinander vorbeireden – all das und noch viel mehr verrät uns Nina „Dr. Date“ Deißler in ihrem neuen Buch, das die absolute Wahrheit über Männer, Frauen, Sex und Liebe erzählt.

Beziehungsstatus: kompliziert: Die absolute Wahrheit über Männer, Frauen, Sex und Liebe

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as of 29. März 2024 2:07

Zugegeben, als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen gehalten habe und durch das Inhaltsverzeichnis blätterte, war ich zunächst geneigt, es gleich wieder beiseite zu legen. Denn großmundig verspricht es die Wahrheit zu erzählen. Die Wahrheit über Sex. Die Wahrheit über Frauen und Männer. Die Wahrheit über die Liebe. Und wenn mir jemand versucht etwas als die absolute Wahrheit zu verkaufen – der Person stehe ich doch eher skeptisch, wenn nicht sogar abgeneigt entgegen. Doch zum einen wäre die Rezension dann jetzt schon zu Ende gewesen und zum anderen scheint man der Autorin zumindest eine gewisse Kompetenz zum Thema nicht absprechen zu können.
Nina Deißler ist seit mehr als 15 Jahren im Beziehungsgeschäft unterwegs, gibt Kurse und Seminare rund ums Flirten, Beziehung und PartnerInfindung.

Die Wahrheit über Wahrheiten

Und ich werde nicht enttäuscht – gleich zu Beginn relativiert Nina Deißler selbst ihren Wahrheitsanspruch. „Wahrheit ist immer subjektiv“, schreibt sie und nimmt damit einem Kritiker wie mir schon den Wind aus den Segeln. Also doch nicht noch so ein Ratgeber, der das Monopol auf die eine Wahrheit gebucht haben will, nach der alle in ihrer Beziehung glücklich und bis das der Tod sie scheidet, zusammenleben. Denn die Wahrheit ist, es gibt nicht nur die eine, sondern jede Menge Wahrheiten. Und jede hat irgendwie ihre Berechtigung.

Beziehungsfindung so schwierig wie nie

Neugierig lese ich weiter. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund. Ein neues Kapitel startet meist mit einer unterhaltsamen Anekdote aus ihrem Leben und ihrer Arbeit und der nachfolgende inhaltliche Exkurs baut dann darauf auf. So erfahren wir, dass obwohl sich unsere Welt im rasantem Tempo immer mehr verändert, es immer noch die gleiche Sehnsucht nach Liebe ist, die uns vorantreibt.
Durch die Veränderungen und neue Technik haben wir zur Partnerfindung heute mehr Möglichkeiten als jemals zuvor, hatten gleichzeitig aber auch nie mehr Schwierigkeiten. Es ist wie bei einem Kind, dass zum ersten Mal in einem Süßigkeitenladen steht, sich alles nehmen könnte was es will, aber doch nichts findet. Entweder, weil es völlig überfordert ist mit der riesigen Auswahl oder weil es so spezielle Anforderungen an das liebste Stück hat, dass es trotz des reichen Angebots nicht das richtige findet.

Per Liste zum Traumpartner?

Denn das ist noch so eine Wahrheit von Nina Deißler. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was wir denken, was wir wollen und dem, was wir wirklich wollen. Deißler bezeichnet ersteres, als die politisch korrekte Liste – er oder sie muss wahlweise humorvoll, charmant, nett usw.. sein. Die andere „Liste“ ist dann die Wahrheit und dabei spielen schlicht und ergreifend gerade auch bei Frauen Dinge wie Aussehen und Status eine Rolle. Dinge, die sie offiziell natürlich nicht ansprechen will – sie will schließlich nicht als spießig gelten. Und auch bei den Männern liegt die Wahrheit manchmal ganz einfach auch darin, dass sie sich eine gut aussehende Frau wünschen, die einen auch einfach mal in Ruhe lässt und nicht die ganze Zeit versucht zu kommunizieren. Aber auch das will Mann nicht sagen, könnte ja irgendwie sexistisch klingen.
Doch wie oft auch immer wir uns in Gedanken unseren Traumpartner oder Traumpartnerin oder auch Traum irgendwo dazwischen ausmalen – „dummerweise scheint das unseren Gefühlen und Instinkten völlig Schnuppe zu sein.“ Denn wie schon viele Forscher nachgewiesen haben, läuft unsere Partnersuche auf einer viel unbewussteren Ebene ab, die vor allem durch Kindheitserlebnisse und -traumata geprägt ist. Deshalb empfiehlt Deißler: „Vergessen Sie die „Liste“. Machen Sie ruhig eine, lachen Sie darüber, und werfen Sie sie weg. Sie haben keine Ahnung, was Sie tatsächlich wollen oder brauchen – und selbst wenn Sie glauben, dass Sie es wüssten, ist es zum einen nur die halbe Wahrheit, und zum anderen ändert es sich nahezu täglich.“

Von der Schwierigkeit der Beziehungsanbahnung zwischen Mann und Frau

Einen Großteil ihres Buches verwendet die auch „Dr. Date“ genannte Autorin darauf, in die Komplexität der Beziehungsanbahnung zwischen Frau und Mann einzutauchen. Was will Frau eigentlich und was der Mann? Während Männer mehr oder weniger nur einen Blick brauchen, um eine Frau „abzuchecken“ und zu entscheiden ob sie sie ansprechen oder nicht, setzen Frauen ein kompliziertes Puzzle zusammen, ehe sie sich eine Meinung über einen Mann gebildet haben.
Deißler ist bei ihrer Argumentation auch stets bemüht, trotz des zur Schaustellens von Unterschieden zwischen Mann und Frau nicht in klischeehafte Stereotypen abzugleiten. Was ihr allerdings nicht immer gelingt, doch das ist nicht so schlimm. Sie sagt schließlich selbst über sich: „Ich bin oft plakativ und übertreibe gern ein bisschen.“

In ihrer Konklusion beschränkt sie sich nicht nur auf ein einfaches „Männer, traut euch mehr die Frauen anzusprechen,“ sondern nimmt beide Seiten in die Pflicht. So fordert sie von Frauen, „dass [sie] sich endlich gut genug finden, so wie sie sind. […] Dass sie nicht mehr so viel darüber nachdenken, wie sie sein sollen, sondern wieder mehr Spaß haben.“ Auch handeln Frauen ihrer Meinung nach noch viel zu häufig nach völlig veralteten Rollenbildern. Sie finden es ganz einfach oft nicht „schicklich“, einem Mann allzu deutlich zu signalisieren, dass sie Interesse an ihm haben. Und das fehlende Signal entmutigt wiederum den Mann, den ersten Schritt zu gehen. Ganz schön kompliziert.

Es gäbe noch viel mehr zu sagen über die Liebe, die Männer und die Frauen, doch ohne jetzt noch tiefer in Deißlers Beziehungs(anbahnungs)theorien einzutauchen – das kann jeder selbst im Buch tun (nachdem er/sie es sich über unseren Amazon-Link gekauft hat) – kommen wir nochmal zur ersten Frage dieser Rezension zurück: Warum sollten wir in einer Beziehung mehr mit anderen flirten? Weil wir uns dabei gut fühlen! Flirten hebt das Selbstbewusstsein und das wiederum beeinflusst unsere Ausstrahlung positiv. Dieses Positive nehmen wir mit in unsere Beziehungen, was uns für unser Partner und Partnerinnen attraktiver macht. Deshalb sollte auch etwas flirten erlaubt sein und nicht immer gleich zu einem Eifersuchtsdrama führen.

Fazit

Man kann Nina Deißlers Buch entweder als Ratgeber lesen oder auch als unterhaltsame Erzählung einer Beziehungcoachin (gibt es da überhaupt eine weibliche Form?) – lesenswert ist es auf alle Fälle. Ich lege normalerweise solche Ratgeber spätestens nach der Hälfte weg und verschiebe das Fertiglesen auf später. Was natürlich nie passiert, weil sie mich einfach so unfassbar anöden. Eher gebe ich Dostojewskis Idiot oder Tolstois Krieg und Frieden noch eine Chance, als einen solchen Ratgeber nochmal aus dem verstaubten Bücherregal hervorzukramen. Das ist mir bei „Beziehungsstatus kompliziert. Die absolute Wahrheit über Männer, Frauen, Sex und die Liebe“ nicht passiert. Ich habe mich keinen Augenblick gelangweilt und es bis zum Ende durchgelesen. Angenehme Erzählweise, interessanter Inhalt, aufgelockert durch lustige Anekdoten unterlegt durch eine ganze Menge Studien – was will man mehr.

Schatz, soll ich das Kleid oder das Kleid anziehen?

Und was habe ich aus dem Buch gelernt? Ich verstehe endlich, warum mich meine Frau nach 8 Jahren ob meiner mangelnden Modekompetenz immer noch fragt, welches Kleid sie anziehen soll und ich mich zielsicher immer genau für das falsche entscheide. Bisher habe ich mir dann immer die Frage gestellt, warum sie mich denn überhaupt fragt, wenn sie meine Meinung sowieso nicht interessiert? Doch jetzt weiß ich: sie will von mir keineswegs eine ernsthafte Beratung, sondern tut es, „um sich durch die Kommunikation ihrer eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Prioritäten besser bewusst zu werden.“ Nun, mir soll’s recht sein, solange sie damit glücklich ist.

Nur bei den Dessous, da fordere ich dann doch mein Mitspracherecht ein. Und das ist ihr dann meistens ganz recht …

Beziehungsstatus: kompliziert: Die absolute Wahrheit über Männer, Frauen, Sex und Liebe

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Photo credit: Kris Olin via Visualhunt.com / CC BY-NC-SA