Was weiß ich über Safer Sex?

Weiß ich wirklich genug über safer sex? Diese Frage habe ich mir bereits seit einiger Zeit gestellt. Dann entdeckte ich einen Vortrag dem Titel „Everything You Ever Wanted to Know About Safer Sex (But Were Too Afraid to Ask) habe ihn mir einmal angehört. Geleitet wurde dieser Workshop von Kitty May Stokes im Berliner alternativen Erotik-Shop „Other Nature“.  Ob ich dabei etwas neues gelernt habe und wie der Abend ablief, erfahrt Ihr in diesem Artikel. Wenn Ihr Euch selbst testen wollt, hört einen Moment auf mit Lesen und schreibt einmal alle sexuell übertragbaren Krankheiten auf, die Euch einfallen. Wie viele sind es? Die Auflösung gibt es am Ende.

Der Veranstaltungsort Other Nature ist ein queer- und frauenorientierter veganer Sexshop, der sich durch ein schönes, schmuddelfreies Ambiente, erotische Kunst, hochwertige Produkte, gute Beratung, eine spannende Bibliothek und Videothek auszeichnet. Dort finden regelmäßig Workshops zu verschiedenen Themen statt.

Die Workshopleiterin Kitty May Stokes arbeitet in England für das Mancraft Advice Project (www.map.uk.net), das Sexualaufklärung in Schulen in macht. Englisch wird dann auch auf dem Workshop gesprochen. Die anderen Teilnehmenden schätze ich auf so Ende Zwanzig bis Anfang Dreißig, ein Mann, ansonsten nur Frauen. Sollte man in diesem Alter nicht längst über alles Bescheid wissen? Eigentlich schon, aber eine Auffrischung kann nicht schaden und in der Schule hat man längst nicht alles gelernt.

Zunächst stellt Kitty den Rahmen des Workshops und vor, um Vertraulichkeit und eine gute Atmosphäre sicher zu stellen. Anschließend stellen wir uns vor mit unserem persönlichen Pronomen, das heißt, ob wir „sie“ oder „er“ (oder „they“ im englischen) bevorzugen, wenn man über uns spricht, und mit einer unserer Erfahrungen von Sexualaufklärung. Kitty verspricht uns, uns keine abstoßenden Bilder zu zeigen, ich bin erleichtert. Wir bekommen ein Quiz ausgehändigt. O-oh, die ersten Wissenslücken. Wird es jetzt peinlich? Nein, das Quiz wird erstmal zur Seite gelegt und Kitty malt an ein Flipchart ein Dreieck. Es geht um Übertragungswege. Von Haut zu Haut, über Körperflüssigkeiten oder von Blut oder Flüssigkeit zum Blut.

uebertragungswege sex krankheiten Zum Weg Haut zu Haut gehören folgende: Herpes – ist nicht heilbar, wenn man es einmal hatte, hat man es immer an dieser Körperstelle und man kann sogar jemanden durch Haut zu Haut Kontakt anstecken, selbst wenn man gerade keinen sichtbaren Herpes hat. Das heißt, jemand, der mal Herpes am Mund hatte, kann anderen durch Oralverkehr einen Genitalherpes bescheren. Und einen Herpes am Mund durch Küssen. Na toll, am besten wickle ich mich in ein Ganzkörperkondom. Die gute Nachricht: Herpes ist vergleichsweise nicht so schlimm. Man geht zum Arzt, lässt sich eine antivirale Tablette verschreiben und damit klingen zumindest die Symptome eine Weile ab. Ein gutes Immnunsystem zu haben hilft.

Schamhaar-Läuse kann man sich auch einfangen, indem man im selben Bett schläft. Das sind übrigens andere als die auf dem Kopf. Ein Läusemittel für den Kopf wird nicht helfen, man muss zum Arzt und sich ein spezielles Shampoo verschreiben lassen. Und Läusekämme helfen weder gegen die einen noch gegen die anderen. Woran merkt man, dass man Läuse hat? An dem schwarzen Puder in der Unterhose, das ist Läuse-Schiss. Hilft rasieren? Nein, weil die Läuse an der Haarwurzel sitzen.

Human Papillom Virus (HPV) macht entweder Warzen oder es kann Gebärmutterhalskrebs verursachen, das sind zwei unterschiedliche Sorten, wusste ich auch noch nicht.

Gegen Haut zu Haut Infektionen schützen Kondome nur teilweise, weil sie nicht den gesamten Penis bedecken.

Zu den Krankheiten, die durch Körperflüssigkeiten übertragen werden, gehören diese Bakterien:

Chlamydien und Tripper (Gonorrhö), die ihren Symptomen recht ähnlich sind, und Syphilis. Gegen die bakteriellen Infektionen kann man schnell und effektiv Antibiotika nehmen und dann sind sie weg. Bis man sich neu ansteckt. Leider weiß man nicht unbedingt, ob man die eine dieser Krankheiten hat, da sie am Anfang oft keine bis geringfügige Symptome haben. Trotzdem ist man dann Überträger. Tripper schädigt mit der Zeit die Reproduktionsorgane.

Außerdem Trictiomoniasis, das ist ein Parasit der über genitale Körperflüssigkeiten übertragen wird. Auch dagegen gibt es zum Glück eine Pille.

Die Infektionen, die über das Blut gehen sind HIV, Hepatitis A, B, C und D. Über das Blut bedeutet, schon kleinste Risse in der Haut, die man nicht sieht, kann man sich infizieren. Deshalb ist es wichtig, wenn auch nicht ausreichend, Gleitgel zu verwenden, um die Verletzungen der Schleimhäute möglichst gering zu halten. Hepatitis ist ansteckender als HIV und hat einen dramatischeren Verlauf.

Für verschiedene Infektionskrankheiten und Sexualpraktiken sowie andere Übertragungswege liest Kitty die Wahrscheinlichkeiten einer Ansteckung pro Geschlechtsakt vor. Niedriger als gedacht. Also bei einmaligem Kontakt don’t panic, aber lass Dich testen. Die Wahrscheinlichkeiten summieren sich aber mit jedem weiteren Kontakt.

 Die sicherste Sexualpraktik ist, nur mit den Händen (am besten mit Handschuhen) in Kontakt mit den Genitalien der anderen Person zu kommen. In Amerika gab es zu Zeiten von Aids-Epidemie unter Schwulen Jerk-off-Parties, um wegen der Krankheit nicht auf Sexparties zu verzichten, aber das Risiko von Ansteckungen niedrig zu halten. Selbst oder jemand anderen zu masturbieren, war die einzige erlaubte Praxis, eine Mischung aus Bewusstsein schaffen und trotzdem Spaß haben.

 Ich spiele kurz mit dem Gedanken, ins Zölibat zu gehen. Die Stimmung wird wieder aufgelockert, indem wir gemeinsam das Quiz auswerten. Nach dieser Lektion sind wir fit dafür und können uns darüber freuen, es jetzt besser zu wissen.

Kitty holt ihre funkelnde Schatzkiste hervor und erklärt uns die Verwendung von Frauenkondom, Dental Dam (Leckfolie) und Kondomen. Das Einführen eines Frauenkondoms scheint virtuose Fingerfertigkeiten voraus zu setzen, oder zumindest einige Übung. Aber die darin enthaltenen Ringe sollen eine angenehme zusätzliche Stimulation bringen. Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen. Worauf muss man achten, bevor man ein Kondom öffnet? Auf das Haltbarkeitsdatum und …? Das CE-Zeichen. Sonst könnte es sein, dass man etwas verwendet, das zwar wie ein Kondom aussieht, aber nicht unbedingt schützt, es gibt da eine Menge „Spaßprodukte“. Gegen den nicht so berauschenden Geschmack von Dental Dams hilft es, etwas besser schmeckendes drauf zu schmieren. Sahne und Nutella sind wohl leider zu fetthaltig, aber Marmelade dürfte gehen. Ansonsten gibt es wohlschmeckende Gleitgele.

Wir sprechen auch darüber, dass diese Utensilien Barrieren zwischen Menschen schaffen oder die Stimmung beeinträchtigen können. Leider können wir aufgrund der fortgeschrittenen Zeit auf diesen Aspekt nicht ausführlich eingehen. Aber Kitty gibt uns den Tipp, mit der Person, mit der man Sex haben will vorher zu klären, wie man schützen will, dann ist es währenddessen weniger komisch. Dazu soll es nochmal einen extra Workshop geben.

Zum Schluss bekommen wir noch ein Buch ausgehändigt: „Sexuell übertragbare Infektionen. 2013“ von der Deutschen Aidshilfe. Darin gibt es ein kleines Plakat mit einer Übersicht über die fünf wichtigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Ich denke, wenn man das Buch gelesen hat, weiß man alles, was man wissen muss. 26 Infektionskrankheiten sind darin auf 176 Seiten beschrieben. Ein paar Exemplare liegen noch zum mitnehmen im other nature, ansonsten gibt es sie auf aidshilfe.de.

Jetzt weiß ich erst mal genug über sexuell übertragbare Krankheiten. Dieser Abend war mir – diverse Symptome vor Augen – nicht komplett angenehm, aber so angenehm, wie es für einen safer sex Workshop wohl nur möglich ist.