Berlin … aber sexy – Eine unglückliche Vorpremiere

Ein Buch vorzustellen, das noch nicht gedruckt ist ein mutiges Experiment für einen Verlag. Und wie bei allen Experimenten, ist das Scheitern Teil seines Risikos. Diesem Scheitern mussten wir am Mittwochabend in der schönen Galerie Me Collectors Room in der Auguststraße beiwohnen.

Der Verlag Grebennikov hatte eingeladen, bereits vorab etwas aus dem Buch „Berlin .. Aber sexy“ zu hören, dass laut Verlagsinfos „ein faszinierendes Sittengemälde und eine niveauvolle Bestandsaufnahme für Erwachsene“ zu sein versprach. Das gemischte Publikum, eher Friends & Family als Szenegänger, wartete brav auf das adrette und sympathische Autorenpaar Ekaterina Rietz-Rakul und Steve Schepens, die bereits eine erfolgreichen Kunstführer geschrieben haben. Leider gelang es den beiden binnen der ersten Minute, die Erwartung des Publikums auf einen kuscheligen Abend zu zerstören. „It’s in english, cause we’re global.“ Ok, also eine englische Lesung, nicht so angekündigt, aber ok.

Konzentriert verfolgten wir die Buchauszüge von Rietz-Rakul. Es ging um Kondome aus Schafsdarm und antike Bordelle. Der ein oder andere mochte schon gedacht haben: Und B-e-r-l-i-n? Dann war der Auszug schon vorbei. Der Coautor Schepens flankierte ein paar historische Sex-Zitate und wir waren schon im nächsten Auszug, der über Altherrenclubs in Berlin (!) parlierte und natürlich auch den Kitkatclub als moderne Option streifte.

Bereits jetzt hatte man die Ahnung, dass das Buch wohl eher für die etwas prüdere Zielgruppe überseeischer Berlintouristen geschrieben sei, als denn für den interessierten und recht abgeklärten Bewohner dieser Stadt. Überrascht wurden wir zum Abschluss von einer Art Performance, bei der Schepens endlos Zitate reihte. Ja, dachten wir bei uns, viele berühmte Leute haben viele intelligente Dinge über Sex gesagt (Woody Allen, Oscar Wild, etc.) und dann war die Veranstaltung nach 30 Minuten auch schon vorbei und die Autoren sichtlich erleichtert. Trotz Raunens und Füßescharrens wurden noch brav Glückwünsche und Blumensträuße von offizieller Seite übergeben.

Dann die erlösende Frage aus dem Publikum: Ob denn das Buch ausschließlich in Englisch sei, nach dieser anstrengenden Englischstunde hätte er nicht allzu viel verstanden. Seitens des Verlages: Das Buch werde zweisprachig erscheinen. Ob das Publikum noch etwas hören wolle. Da sich alle nicht nur für 30min angehübscht hatten, wurde zugestimmt und ein weiterer Auszug wurde diesmal in deutscher Sprache von Rietz-Rakul vorgelesen. Dabei ging es um Heinrich Manns Blauen Engel, Marlene Dietrich als Lola und diverse Adaptionen bis zur pornösen Persiflage. Alles nett feuilletonistisch recherchiert, aber B-e-r-l-i-n? Dass weder die Handlung des Films in Berlin spielt, noch der Film in Berlin gedreht wurde, sondern in Potsdam, behielten wir für uns. Über das Buch, das im Sommer erscheinen soll, können wir noch wenig sagen. Das Vorgestellte war alles … aber nicht sexy.