„Sylvie“ von Lenn Flatter

Bereits bei dem erstenRendezvous mit Sylvie war es erneut zu stürmischen Küssen und Liebkosungengekommen; sie spazierten, sich verliebt an der Hand haltend, in einem Parkumher. Es war völlig klar, schon das nächste Zusammentreffen würde zueingehenden Intimitäten führen, ja, es wäre augenblicklich geschehen, wenn siesich nicht gerade auf einer belebten Promenade befunden hätten. Als sie dann imAuto saßen, wurden die ungestümen Liebkosungen auf Gegenseitigkeit ohne Verzugoder weitere Umstände recht umfassend, tiefgreifend und eindringlich, was mandaneben getrost auch wörtlich nehmen darf. Bis zu ihrem siebzehnten oderachtzehnten Jahr, sagte sich B. erfreut, hast du wirklich ein leichtes Spielmit ihnen, keiner Offerte sind sie ganz abgeneigt und wenn sie von noch sofragwürdiger Seite käme. Erst später werden sie vorsichtiger. Sie verabredetensich für den Abend zu einem Schäferstündchen in Sylvies Wohnung.

B. dachte an Jo. Er liebte sienoch immer leidenschaftlich. Akkurat deshalb war er so maßlos eifersüchtig, soerregt, wenn er sich ihre vermeintliche oder tatsächliche Untreue vor Augenführte. Dass sie untreu war stand für ihn fest, schließlich gab sie es halb undhalb zu. Er benötigte ein wirksames Ventil für seine übergroßen emotionalenSpannungen und er suchte es in einer Affäre mit einer anderen. Das Maß istvoll, sagte er sich, ich fühle mich gegen Jo in nichts mehr verpflichtet.

Sylvie zog sich gleich aus,schmiß resolut und schwungvoll das Kleid und ihr bisschen Wäsche im hohen Bogenauf das Bett; sie war erst Siebzehn und minderjährig, er war ihr Zweiter (derErste war ihr Verlobter gewesen) und sie begriff anscheinend überhaupt nicht,dass sie genaugenommen für ihr Alter mehr fortwarf als die paar Plünnen… Dennsie liebte B. nicht, kannte ihn kaum. Und er war siebzehn Jahre älter als sie.Ängstigte oder schämte sie sich wenigstens ein bisschen? Höchstens schwach,ihre Geilheit und Neugier waren größer, ein wenig Scham nur an der Oberfläche,sie kam ihr nicht aus dem Gemüt, und sie machte ihr gar nichts aus. Doch wem esleicht fällt sich zu schämen, der tut sich auch nicht schwer, zu sündigen oderwie man im Hebräischen sagt, wer sich leicht schämt, der sündigt schwer. Er, B.,nutzte ihren unbesonnenen Umgang mit der Tugend aus, gewiss. Andererseits, wiewäre er dazu gekommen, für sie den Tugendwächter und Moralapostel zu spielen?

Für ein reizendes Kind ist esverständlicherweise viel bequemer, im Kampf ums Dasein mit den Pfunden oderPfündchen seines Körpers zu wuchern, als mit denen des Verstandes. So verdientes hohen Respekt, wenn ein schönes Mädchen lieber seinen Verstand bilden magund sich mit ihm schlecht und recht durchbringt, statt sich in einefortwährende fleischliche Versuchung für seine Mitmenschen zu verwandeln. WasSylvie anging, so war sie so jung, dass eine Entscheidung über den Weg, den siekünftig einschlagen wollte noch ausstand; aber die vorrangige Entwicklung ihresVerstandes schien ihr vorerst keine nennenswerte Sorge zu bereiten, dennbereits am Tag nach ihrem ersten Kuß hatte sie B. zu sich in die Wohnungeingeladen und hatte nichts eiligeres zu tun, als ihn in ihr Bett zu lotsen.

B. trat hinter sie, umfasstesanft ihre festen, jungen Brüste, atmete den Duft ihres Haars und knabberte aneinem ihrer Ohrläppchen. Sie legte den Kopf seitwärts, wandte ihm ihr Gesichtzu und bot ihm, ein bisschen linkisch, ihre vollen, feuchten Lippen.

„Sylvie, weißt du genauworauf du dich einläßt?“

Sie entledigte sich stumm undbetont nonchalant der allerletzten, winzigen Hülle. B. setzte sich auf dieCouch. Dann stand sie vor ihm, nackt wie die Sünde, ein unglaublich schönes,schwarzhaariges Mädchen, mit einem ganz schwachen, reizenden Anflug vonBabyspeck. Sie war am ganzen Körper sonnengebräunt, hatte aber von Geburt herschon dunklere Haut. Die kritische Partie unterhalb des Knies und oberhalb desSprunggelenks, deren Plumpheit, wenn sie vorkam, B. ebenso hasste wie eineverstrichene weibliche Taille, sie war bei ihr schlank und wohlproportioniert.

„Ich bin schon lange scharfauf dich,“ gestand Sylvie, „du gefällst jedem Mädchen im Krankenhaus,doch sie halten dich alle für unnahbar. Du bist ganz anders, als sie denken.Wenn sie es nur wüssten!“

Mit dem braunen Bauch nach obenlegte sie sich quer über seinen Schoß, um ihn unbeholfen in Stimmung zu bringenund sich seinen Küssen und Liebkosungen auszusetzen.

„Komm‘ mit in meinBett,“ flüsterte Sylvie nach einem Weilchen mit verschwörerisch bebenderStimme, „bleib‘ heute Nacht bei mir!“

B. hatte nicht das Herz, siezurückzuweisen. Sie schlüpften nackt in Sylvies Bett. Du musst es einfach tun,sagte er sich, die Tugend fängt mit der Sünde an. Und ein jeder weiß: es fälltviel leichter zu beklagen was man getan hat, als was man unterließ.

Zärtlich strich er über ihrefesten Gliedmaßen, ihren straffen, jungen Körper – und fühlte nur pures,nacktes Fleisch, nichts sonst. Es fehlte an ihr die herbe Süße erworbenerErfahrungen, das Verführerische, Berauschende durchlebten Glücks, das Anrührendeerlittenen Schmerzes und erduldeten Liebesleids. Es fehlte diese köstliche,geheimnisvolle Aura vollendeter Reife einer Frau: in zwei, drei oder mehrJahren erst würde es beginnen so zu sein.

Sie war zu allem bereit und zunichts zu gebrauchen – um es überspitzt, nüchtern und ein bisschen boshaft zusagen. Denn wie nicht anders zu erwarten, erwies sie sich noch als ziemlichnaiv und stellte sich zu Anfang einigermaßen ungeschickt an.

Ihr Schoß war straff und eng wiebei einer Lolita. Sylvie zögerte nicht, sich umgehend ihr Pelzchen gründlichbürsten zu lassen, und (um im Jargon zu bleiben, den du so liebst, lieberLeser) B. säumte keinen Augenblick, die Torte binnen kurzem mehrmals zudekorieren.

Mit einem heimlichen (reininnerlichen) Grinsen sah B., wie er sie mit jedem Stoß ein Stück nach obenschob und wie sie, jedesmal wenn er in ihr zurückglitt, unter ihm wiederabwärts rutschte. Ihr Kopf hüpfte vor seinem Gesicht rhythmisch auf und ab wieder Stößel auf einer Nockenwelle, je mehr, je nachdrücklicher er agierte. Mitseiner Vehemenz wuchs ihre Glut und damit zugleich die zunehmend heftigerwerdende Gegenparade ihres schmalen, leichtgewichtigen Mädchenbeckens, die siejedesmal mit einem temperamentvollen Stoß nach vorn vermittels sportlich resolutenHüftschwunges ausführte.

Dieser Nacht folgten weitere.Sylvie wuchs sich zur Klette aus, obwohl sie unentwegt fürchtete, ihroffizieller Freund könnte ihr auf die Sprünge kommen. Sie wollte ihm das nichtantun. B. schien es paradox, doch sie liebte ihren gleichaltrigen Freundaufrichtig.

„Ich will kein Verhältnismit dir; du weißt, dass ich verlobt bin. Auch wenn ich mit dir schlafe, sobleibe ich meinem Freund doch treu, weil ich nach wie vor nur ihn heiratenwerde.“

Lediglich in seiner Rolle alsNutznießer fand B. Sylvies Logik überzeugend. „Ich suche vor der Ehe einpaar Erfahrungen,“ sagte sie, „weil ich noch so entsetzlich jungbin.“ Und entwaffnend ehrlich fügte sie hinzu: „Ich möchte nur malsehen, wie es mit dir so ist.“

Von jetzt an suchte B. Sylviehäufiger auf, zumal, wenn Jo sich ihm entzog oder wenn sie längere Besucheabsolvierte, von denen er nicht wusste, wem sie eigentlich galten. Ervermutete, dass sie Schwester Cora gewidmet seien. Wenn Jo ihn zurückwies odernach einem nicht mehr so seltenem Fiasko bei ihr, holte B. sich sexuelleBestätigung und Ermutigung von Sylvie. Desgleichen frequentierte er nun wiederhäufiger Judith, nicht so sehr oder nicht allein aus reinem Verlangen, sonderndaneben gewiss aus Trotz wegen Jo‘s gelegentlicher Verweigerung und auseifersüchtiger Reaktion, denn er befürchtete, Jo habe Geschmack an Cora‘sKünsten gefunden. Sogar die freizügige Barbara besuchte er ab und zu. Von einemFiasko konnte bei den drei Damen gar keine Rede sein, diesen Reinfall hatte er neuerdingsnur bei Jo kennenlernen müssen. Mit Blick auf diese gleichlaufenden,zusätzlichen Bettbziehungen sagte er ohne Gewissensbisse und nicht ohneAnzüglichkeit gegen sich selbst: Gelobt sei, was hart macht! B. bildete sichallen Ernstes ein, der streng wechselweise Gebrauch würde sein leichtramponiertes Selbstwertgefühl und Stehvermögen deutlich heben und er war denMädchen in seinen adjuvanten Verhältnissen dankbar zugetan.

Sylvie war oberflächlich,leichtfertig und über weite Strecken unwissend wie ein Kalb. Zum Ausgleichverfügte sie über ein handfestes Naturell und unstillbare Neugier auf alles,was das Sexuelle anlangte. Als Second-hand-girl war sie für B. – er spürte es,ohne sich dessen ganz bewußt zu sein – nur Sexualobjekt, wie alle, außer Jo. Aufkeinem Fall wollte er, dass seine Einstellung und sein Verhalten von ihr alsdemütigend empfunden werden sollten. Dieserhalb und aus Mitgefühl für sie,wegen der nach seinem Geschmack eher betrüblichen Rolle, die sie mehr ausArglosigkeit und Unwissenheit, denn aus Berechnung gegenüber der Männerwelt zuübernehmen sich vielleicht anschickte, sagte er ihr all das, was man einerGeliebten und einer Frau, die man achtet und begehrt wohl sagen würde.

Denn in Sylvies hemmungsloserLust erkannte B. eine seltsam naive, kindliche Keuschheit, ihrem Verlangenhaftete etwas höchst Natürliches und Selbstverständliches an. So liebten siesich unbefangen wie göttliche Kinder des heidnischen Elysiums, schamlos,ausschweifend, im Bewußtsein der kultischen Heiligkeit ihrer Handlung, diegelassen dem Weltgesetz gehorsam war.

Mitunter fand B., die KunstFrauen zu verführen sei bei Licht besehen für ihn gar nicht so leicht. Nichtaus dem Grunde, weil dabei die Intelligenz eines Mannes besonders gefordertwürde, sondern im Gegenteil deshalb, weil ein Mann von Verstand und Geschmacksich nicht ohne Mühe zu den seichten Komplimenten verstünde, dienotwendigerweise zu machen seien, um von den Damen favorisiert zu werden. DieVerführung einer wirklich gebildeten Frau sei im Vergleich dazu einKinderspiel, weil sie durch einen geistvollen Mann verständlicherweise vielstärker fasziniert und eingenommen ist, als irgend ein Dummchen.

Mit Sylvie hatte es indes keineProbleme gegeben, im Gegenteil, eigentlich begann sie sogar selbst den Flirtmit ihm, nachdem er sie über Fräulein Bollwieser scharf gemacht hatte. B. hatteanfangs tatsächlich angenommen, sie sei schwer zu haben. Als dann dasTechtelmechtel begann und er spürte ihr rasches Entgegenkommen, dachte er: Esist genau umgekehrt, sie ist offensichtlich die Art Mädchen, das, falls dieGelegenheit sich bietet, sich sogar von jedem schmierigen Latin Loverschwängern läßt. Seltsamerweise wollte er das aber durchaus nicht mehr glauben,nachdem er selbst sie besessen hatte.

Wenn es zur Sache ging, warSylvie durch kein noch so raffiniertes Mittel zum Höhepunkt zu bringen, alleAusdauer ward an ihr zuschanden, und auch sie selbst mühte sich ächzend undschwitzend auf rührende Art vergeblich. Nur einmal, nach einem Marathon vonfünf ausgedehnten, kurz aufeinanderfolgenden Kopulationen gelang es B., ihr denBeginn einer stöhnenden Ekstase zu entlocken, und es war ein überwältigendesSchauspiel: diese atemlosen kleinen Lustschreie, in der Mitte zwischen Weinenund Lachen, zwischen Glück und Qual – allein dafür liebte er sie.

Barbara zumeist in weiß, Joüberwiegend isabellfarben, Judith fast immer schwarz – B. hatte sich, wirwissen es längst, nebenher angewöhnt, gewisse Unterschiede seines Liebeslebensder Farbskale zarter Dessous zuzuordnen. Nun kam eine weitere Abstufung hinzu:Sylvies bevorzugte Wäsche war blass fliederfarben. Die Farbe des Höschens,sagte sich B., wahrhaftig, sie scheint in der Tat die auffälligste Abwechslungin dieser spärlich verhüllten Region, sonst gleicht sich so ziemlich alles,vorzugsweise auch dieser mystisch köstliche Duft. Jo, Barbara, Judith, Sylvie -wozu eigentlich der ständige, anstrengende Wechsel? Immerhin… es ist nichtdieses fatalement feminin braguette, nicht ein sich stets gleichbleibendesDöschen, das zur Abwechslung reizt, es ist, versuchte er zu begreifen, inWahrheit das wechselnde Verhalten der Frauen. Zumindest (so glaubte sich B.entfernt zu erinnern) hatte Casanova in seinen Memoiren etwas ähnlichesbehauptet. Keine ist wie die andere, jede besorgt in Worten, Posen, in ihrenleidenschaftlichen Aufwallungen das reizende Geschäft der Liebe auf besondereArt und in anderer Weise, sodass sich ein jeder Nachfahre Casanovas stetserneut fragen muss: Wie ist die da? Und die da? Ein nicht zustillendes Verlangen ist es, nicht zu dämpfen, nicht abzutöten, es istunbesiegbar. Wie nur, in drei Teufels Namen, mag gerade dieses Mädchen indieser delikaten Situation sich geben? Wie mögen sie nur jede sein – dieErfahrene, die Unwissende, die Fröhliche, die Traurige, die Prüde, dieLüsterne, die Leidenschaftliche, die Unnahbare, die Kluge, die Naive, dieHerbe, die Süße, die Kindliche, die Reife, die Kundige, die Anfängerin, dieMutige, die Zaghafte, die Heilige, die Verworfene, die Sonderbare, dieAlltägliche, die Abweisende, die Entgegenkommende, die Kalte, die Lüsterne, dieHitzige, die Käufliche, die Selbstlose, die Neugierige, die Zärtliche, dieAnschmiegsame, die Störrische, die Leichtsinnige, die Berechnende, dieArtistische, die Ungeschickte, die Unbeholfene, die Anstellige, die Mondäne,die Natürliche, die ewig Schmollende, die permanent Fröhliche, die Zornige, dieheilige Einfalt, die komplizierte Intellektuelle – und diese und jene. Undworin obendrein besteht eigentlich der entzückende Unterschied bei Gleichgearteten?Männer sind wie die Perlenfischer, sie knacken eine Muschel nach der anderen,nur – die wahre Perle finden sie offenbar nie.

Für ein Secondhandgirl,vermutete B., sind häufige kleine Geschenke höchst passend. Ein kleinesSchmuckstück fürs erste wäre nicht eben schlecht. Er wollte sich nicht lumpenlassen, sich absolut nicht knauserig zeigen, es sich sogar ordentlich waskosten lassen. Das Teil dürfte ruhig auch etwas teurer sein. Daran, wieviel erfür Sylvie bereit war auszugeben, daran wollte er sich beweisen, wieviel sieihm tatsächlich wert wäre.

B. suchte einen Vorstadtjuwelierauf, trat in den Geschäftsraum. Sofort schoß ihm der Kommis entgegen: „Siewünschen, bitte?“

„Ein kleines Präsent füreine junge Dame – ein Kettchen mit Anhänger, vielleicht.“

Der Kommis war der typischeLadenschwengel in diesem von jeher weniger vornehmen Teil der Stadt, seinesMetiers schien er immerhin kundig, wenigstens gab er sich den Anschein. Erbemühte sich wie ein seriöser Geschäftsmann zu wirken, wie einer mit grauenSchläfen (die seinen waren rötlich), distinguiert, gut aussehend, zuvorkommend,innerlich unbeteiligt, ein Mann der vollendeten Höflichkeit, gelassen, mitperfekten Manieren. Es wollte ihm nicht gelingen.

„Darf es Gold sein?“sagte der Ladenschwengel langsam, mit einer künstlich tiefen Stimme.

„Nein, Gold wäre in diesembesonderen Fall zu prätentiös. Doch massiv Silber bitte, nichts Billiges, etwasWertvolleres sollte es schon sein.“

Der Pseudodistinguierte wies eingutgearbeitetes Stück vor: „Es ist Silber, rhodiumbedamft, um das Anlaufenzu verhindern,“ sagte er fachmännisch, „Die dünne Rhodiumschichtbedeutet natürlich keine Wertminderung, im Gegenteil! Schließlich ist Rhodiumdem Platin verwandt und ähnlich kostbar.“

B. wusste das schon, bevor derKommis das Licht der Welt erblickt hatte, trotzdem schwieg er still und schnittein Gesicht wie jemand, der eine frohe Kunde empfängt.

„Der Anhänger ist eingroßer, sehr schön gefasster Aquamarin, wie sie sich bitte überzeugenwollen.“

B. überzeugte sich und entschloßsich schnell zum Kauf. Geschäfte und Handel waren ihm lästig. Nie wurde er dasvage Gefühl los, übervorteilt zu werden.

Jo hatte er bisher nicht mitGeschenken bedacht. Er hielt die Beziehung zu ihr für einen Sonderfall undbildete sich lachhafterweise ein, er beleidige mit solch materieller Zuwendungihre Liebe zu ihm, als hätte sie davon gar glauben mögen, er wolle sich ihreNeigung erkaufen. Eine so ausgesuchte Sensibilität bestand höchstwahrscheinlichnur von seiner Seite, für niemanden außer ihm wäre zweifelhaft gewesen, dassJo, wie jede andere auch, seine Geschenke gern genommen hätte. Vor allem wasSchmuck anlangt, da kennen sie allesamt keine Skrupel. Was laut Karl Marx dasOpium für das Volk ist – und die Religion demnach für alle übrigenSuchtabhängigen – das ist für Frauen der Schmuck. Wer das nicht versteht, hatzu neunundneunzig Prozent der weiblichen Seele keinen Zugang.

(Entnommen dem Roman:“Wenn alle untreu werden“, von Lenn Flatter)