Sexpartner finden im Internet

Dieses Internet …

Der augenscheinlich einfachste Weg,neue Geschlechtsgegner kennen zu lernen, ist der digitale. Bequem vom Sofadurch Bilder und Profile klicken, ohne sich dafür hübsch machen zu müssen,klingt einfach und kann jeder. Nur leider ist es mit dem Durchklicken nichtgetan. Man muss nicht nur einen so bezaubernden Text schreiben, dass dieZielperson gar nicht anders kann, als zu antworten. Man muss auch selbst einProfil haben, das sie nicht davon abschreckt, wirklich zurückzuschreiben. Undda fangen die Probleme an …

Fall 1: Ich bin eine Frau

Dann ist die Sache einfach. MeinProblem wird nicht sein, dass mir niemand schreibt. Selbst wenn ich nicht vieleund keine besonders guten Bilder habe, wird meine Herausforderung darin liegen,den Überblick zu behalten. Die wirklich interessanten Zuschriftenherauszufiltern und die Nervbacken freundlich aber bestimmt in ihre Schrankenzu verweisen, ist die hohe Kunst. Als Frau kann ich ein wenig experimentieren,Texte und Bilder variieren und beobachten, wie sich die Reaktionen verändern.Die Frage, ob ich zum Ziel komme, stellt sich nicht. Nur die Frage, ob es denAufwand wert ist – nämlich den Aufwand, all die Pfeifen, Nieten, Nerds undSoziopathen (nennen wir sie Personengruppe 7) auszusortieren.

Fall 2: Ich bin ein Mann

Puh! Dann muss ich strukturiert vorgehen.Ohne richtig gute, vorteilhafte Fotos geht gar nichts. Mindestens genausowichtig ist ein knapper, aber tiefgründiger Text. Ein authentischer, aberwitziger Text. Ein kurzer, aber ausführlicher Text. Ein romantischer Text, deraber auch von Männlichkeit und einem festen Charakter zeugt. Ein verträumterText, der aber auch klar ficken beim Namen nennt. Kurzum: Es ist unmöglich, ineinem einzigen Text die Erwartungen zu erfüllen, die auch nur zwei verschiedeneFrauen an ein Profil haben.

Und ich brauche Ausdauer. Ich mussquasi an jede Zielperson einen Text schreiben, der auf ihr Profil Bezug nimmt.Das kann schon ein wenig standardisiert sein. Aber reines Copy and Paste hilftnicht weiter. Vor allem nicht, wenn der Text lang ist. Das ist unglaubwürdig,dass sich jemand hingesetzt hat, um ausgerechnet mir sein Leben auszuschütten.Ist doch klar, dass der das jedem schickt! Im Prinzip muss ich eine Kosten- Nutzen-Rechnungaufmachen: Welche Antwortquote ist für mich akzeptabel? Und im Umkehrschluss:Wie viele Mails muss ich schreiben, um zum Stich zu kommen? Eine Antwortquotevon zehn Prozent ist mehr als gut. Diejenigen schon abgezogen, die ausHöflichkeit Nein sagen. Die meisten Frauen, die kein Interesse haben, antwortenja einfach gar nicht – unhöflich, aber nachvollziehbar. Denn bei ihnen wird derPosteingang ziemlich voll sein. Jeden Tag aufs Neue. Und dann gibt’s nochdiejenigen, die gerne antworten und elend lange hinund- her-Konversationenbetreiben. Denen geht’s um sozialen Austausch und um die Konversation an sich –aber treffen werde ich die niemals. Daran haben die kein Interesse. SolcheZeitgenossen sollte ich schnell identifizieren und den Kontakt einstellen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Dieser Artikel erschien erstmalig unter dem Titel „Casual Sex“ in der Printausgabe „Kennenlernen“ des Feigenblatt-Magazins. Wir danken für die Möglichkeit der Veröffentlichung!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Fall 3: Ich bin ein Pärchen

Als Pärchen liegt die Weisheitdazwischen und hängt davon ab, was ich suche. Suche ich einen Mann, gilt Fall eins.Suche ich eine Frau, gilt in leicht weniger dramatischer Form Fall zwei. Undsuche ich ein Pärchen, ist das eine neue Sportart. Hier ist die Herausforderungerst einmal, überhaupt Pärchen zu finden, bei denen ich beide attraktiv finde.Oft sind die hübschen Mädels mit hässlichen Kerlen zusammen und umgekehrt. DiePärchen, bei denen beide hübsch sind, sind meistens ganz schön eingebildet undliefern eine Antwortquote, die deutlich unter der von Single-Frauen liegt. Diesuchen sich einfach aus, mit wem sie Kontakt haben wollen, und schreiben ihreZielpersonen selbst an. Die interessieren sich gar nicht dafür, wer sieanschreibt, weil das sowieso quasi immer nur Personengruppe 7 ist.

Entsprechend unregelmäßigbeschäftigen sie sich mit ihrem Nachrichteneingang und wahrscheinlich werde ichnie eine Antwort bekommen. Denn ungelesene Antworten werden vom System nach einpaar Tagen gelöscht und mein Zielpärchen wird gar nicht die Chance gehabt haben,zu sehen, dass wir eigentlich interessant gewesen wären. Es schaut eben malöfter für zwei Wochen nicht die Nachrichten unbekannter Absender durch. Klingtdemotivierend? Ist es auch. Denn im Umkehrschluss weiß ich als Angeschriebenerja auch, dass sich jemand, der mich anschreibt, vermutlich sehr viel Zeit fürdiese Aktivitäten nimmt. So jemand kann ja dann gar kein natürliches sozialesLeben in der Offlinewelt haben. So jemand ist doch nicht interessant!

Wie funktioniert’s dann? Strukturiert,strukturiert: Ich sollte mir die Profile meiner Zielpersonen in A-, B- undC-Profile einteilen. Wie ich dabei Faktoren wie Attraktivität anhand derBilder, interessante Persönlichkeit anhand der Texte, Entfernung zum eigenenWohnort et cetera gewichte, sollte ich mir vorher überlegen. Dann sollte ichmich zunächst mit ein paar B- oder C-Profilen beschäftigen, um zu üben. Einfachmal testen, wie welche Art von Ansprache ankommt. Wenn ich ein Gefühl dafürhabe, nehme ich mir vorsichtig das erste A-Profil vor. Am besten erst nacheiner gewissen Zeit, in der ich es gelegentlich beobachtet habe, denn dann kannich im ersten Anschreiben auch auf Veränderungen Bezug nehmen und damit meinInteresse glaubhaft machen.

Jetzt ist es so weit: Das ersteAnschreiben! Hier gilt: zeigen, dass ich wirklich ernst gemeintes Interesse habe.Und zwar nicht an irgendeiner Person vom Zielgeschlecht, sondern an genaudieser. Ich wende mich an sie, weil sie – ja, was? Auf den Bildern ein interessantesLächeln hat? Klingt nach Standard-Spruch. Ich finde also irgendwas, das ichsonst nirgends finde: Eine Textpassage, die sich auf gemeinsame Interessenbezieht, ein süßer Makel am Körper oder eben genau das, warum ich dieses zueinem A-Profil erklärt habe. Und dann muss ich eine Antwort provozieren – ambesten durch eine Frage. Erhalte ich eine Nachricht, in der steht, dass jemandmein Tattoo schön findet, dann denke ich mir: Aha. Und klicke sie weg. Fragtallerdings jemand, welcher Künstler es gestochen hat, oder erklärt mir seinepersönliche Interpretation davon und wie es auf ihn wirkt – verbunden mit derFrage, ob das auch meine Intention ist – dann muss ich ja quasi schonantworten. Wenn ich mich weiter geschickt anstelle und durch Antwort- Provokationenden Gesprächsfaden nicht abreißen lasse, sondern interessant und witzig halte,habe ich gewonnen.

Und es gibt da noch einen Trick –einen zweiten Weg, der weniger anstrengend ist und mehr Spaß macht: Diese Internetplattformenbieten eine riesige Auswahl an Partys, Club-Adressen und Gruppentreffen. Damuss ich hingehen, denn dort kann ich die Leute kennenlernen. Ganz natürlich,durch ansprechendes Auftreten, zuvorkommendes Verhalten, witzige Sprüche undGelassenheit. Die Kontakte, die ich offline gemacht habe, kann ich dann einfachonline pflegen – Bilder austauschen, Nachrichten schreiben, sich gegenseitig aufdem Laufenden halten. Dafür sind die Websites wirklich nützlich!

Vielen Dank für diesen Gastartikel an: Christoph Huebner, Jahrgang 1982, lebt und arbeitet in Hannover und Berlin. Er ist der Veranstalter von Aphrodizia. einer Veranstaltungsreihe für aufgeschlossene Paare www.aphrodizia.com/